MGN-Ringvorlesung im Wintersemester 2023/24: ‚Aktuelles Mittelalter‘

Die Vorlesungen werden hybrid stattfinden, das heißt vor Ort in Präsenz und gleichzeitig in einer Übertragung per Videokonferenz, die vom jeweiligen Standort aus organisiert wird. Der Veranstaltungsraum sowie der Link für die digitale Übertragung werden rechtzeitig vorher über den MGN-Verteiler kommuniziert.

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Mittwoch, 29. November 2023, 18:15–19:45 Uhr | Von-Melle-Park 6 (Raum: Phil A 7006)

Dr. Marco Heiles (Hamburg)

Verschwörungserzählungen im Spätmittelalter und heute – Simon von Trient und QAnon

Verschwörungserzählungen haben seit einigen Jahren Konjunktur und finden ein immer größeres und sichtbareres Publikum. Die Vorlesung will versuchen, die aktuellen Verschwörungserzählungen um QAnon historisch zu lesen und mit ihren spätmittelalterlichen Vorläufern, hier am Beispiel der Ritualmordlegende um Simon von Trient von 1475, zu vergleichen. Welche Gemeinsamkeiten gibt es über die Jahrhunderte hinweg in Motiven, Aussagen, Erzählschemata, Sprache und Funktion der Verschwörungserzählungen? Und welche Rolle spielen dabei die jeweiligen medialen Gegebenheiten?

Mittwoch, 24. Januar 2024, 18:15–19:45 Uhr | Rubenowstr. 3 (Hörsaal des Instituts für deutsche Philologie)

Dr. Falk Quenstedt (Greifswald)

Mediävistik im Anthropozän? Überlegungen zur Relevanz gegenwärtiger Herausforderungen für die Erforschung mittelalterlicher Literatur

Der Begriff Anthropozän drückt aus, dass ‚der Mensch‘ zu einer so maßgeblichen und nachhaltigen Kraft im Gefüge des Erdsystems geworden ist, dass von einem erdgeschichtlichen Wandel gegenüber dem vorausgehenden Holozän gesprochen werden muss. Seit der Jahrtausendwende werden im Zeichen des Begriffs, dem durchaus auch kritisch begegnet wird, mit steigender Resonanz die Herausforderungen des Anthropozäns nicht nur für das soziale und politische Handeln, sondern auch für ästhetische und wissenschaftliche Praktiken diskutiert. Oft wird dabei ein Bruch mit Darstellungs- und Denkmustern gefordert, die der westlichen Moderne zugezählt werden, etwa mit Blick auf das Naturverständnis, auf grundlegende erkenntnisstrukturierende Dichotomien (wie Subjekt und Objekt), auf Maßstäbe von Historizität (Menschen- und Naturgeschichte) oder auf Wahrnehmungs- und Darstellungsweisen von Welt (wie den kartografischen ‚Blick von oben‘ oder den Globus). Die Diskussion beschränkt sich dabei zumeist auf neuzeitliche Phänomene, die sich von vor- oder nichtmodernen Erkenntnisweisen und Ästhetiken grundsätzlich unterscheiden würden. Diesen vor- oder nichtmodernen Erkenntnisweisen und Ästhetiken selbst widmet die Anthropozän-Debatte jedoch selten besondere Aufmerksamkeit. Vor diesem Hintergrund wird der Vortrag aus germanistisch-mediävistischer Sicht anhand exemplarischer Lektüren von Episoden aus höfischen Romanen danach fragen, inwiefern der geschilderte Diskussionszusammenhang von der Erforschung mittelalterlicher Literatur profitieren kann und ob die konzeptionellen Herausforderungen des Anthropozäns auch für die Interpretation mittelalterlicher Texte aufschlussreich sein können.


MGN-Ringvorlesung im Wintersemester 2023/24